Samstag, 29. Januar 2011

Wernäääär, komm mal…

oder ein Tag aus dem Berufsleben einer Quasselstrippe.

Mir wurde gestern früh schnell klar, warum ich statt Donnerstag am Freitag arbeiten sollte. “Guten Morgen, Agent 00Wusel. Schön, dass Sie gekommen sind. Ich muß mal schauen, wo ich sie heute besonders strategisch hinsetze. Nehmen Sie doch am besten den Platz, da vorne in der Mitte am Gang. Nachher kommt ein Kunde!”

Aha, alles klar…Präsenz ist angesagt, es soll schließlich voll besetzt scheinen, wenn der potentielle Auftraggeber herumgeführt wird. Ist ja irgendwie auch nicht verwerflich.

Leider fuhr aber der PC vorne in der Mitte nicht hoch, alle anderen strategisch günstige Plätze waren schon besetzt und der Kunde nah. Also durfte ich nach ganz, ganz hinten ans Fenster, außer Sicht dafür aber mit tollem Ausblick für mich.

Momentan telefoniere ich Handwerker. Ja, das nennt man bei uns so. Warum lange um den heißen Brei reden? Quatschen muss man eh später noch genug.

Handwerker telefonieren macht Spaß. Die sind zu 70% viel lockerer drauf als die Anwälte vom letzten Monat und man hat meist sofort den richtigen an der Strippe und muss sich nicht erst mit mindestens drei Sekretärinnen auseinandersetzen. Ab und an hat man auch die Handwerkerfrauen dran und die brüllen dann eben mal ganz laut im breitesten sächsisch: “Wernäääär, komm mal schnell. Da ist eine Frau am Telefon.”Werner hat aber nicht gleich reagiert und schon kam ein böses, lautes und sehr bestimmtes: “Mensch Wernäääär, wo bleibste denn schon wieder? Da ist `ne Frau am Telefon!” Armer Werner!

Interessant sind auch teilweise die Reaktionen, wenn die Leute hören in wessen Auftrag ich anrufe: “Sie rufen bestimmt wegen der offenen Rechung an.” höre ich in vielerlei Variationen und wenn ich dann sage das es mir lediglich um eine kurze Kundenzufriedenheitsstudie geht, spürt man den Stein förmlich plumpsen und sie geben bereitwillig Auskunft.

Gestern hatte ich auch wieder so drei, vier Leute dran, die total unter Stress standen, in absoluter Zeitnot waren und wirklich nur allerhöchstens zwei oder drei Minuten erübrigen können. Also Leute, die ich faktisch beinahe überreden muss und die einfach zu höflich sind mich einfach so abzuwimmeln. Die mag ich. Nicht weil ich dann schnell durch bin, sondern weil genau das die Leute sind, bei denen ich letztendlich das Gespräch nach über zehn Minuten schmunzelnd beende weil sie sonst noch ewig weitererzählen würden.

Überhaupt hatte ich gestern den weltzufriedensten Kunden dran. Die Bewertung geht im Schulnotensystem und es gab überall eine Eins und supertolle Begründungen warum und weshalb. Solche Leute mag ich nicht so, aber dem habe ich seine Zufriedenheit sogar abgekauft. Enttäuscht war er nur, weil man kein SAUGUT geben durfte.

Mir sind ja persönlich und im Gegensatz zu meinen Kolleginnen, die Kritiker viel lieber. Nur so kann man was ändern und bei vielen Anrufen habe ich echt das Gefühl die wissen überhaupt nicht was sie vorher gesagt und gegeben haben. Wie auch immer, ich mag die knallharten Nörgler…nur habe ich gestern leider keinen erwischt.

Es wurde dann auch immer langweiliger, die Tagesdaten waren teilweise zu dritt längst abtelefoniert und ich hatte letztendlich im 20 Minuten Rhythmus immer die selben “Unerreichbaren”.

Aber nochmal zum Kunden, der mir ja schließlich Wernäääär eingebrockt hat. Als Cheffe ihm im Center rumführte herrschte gerade gähnende Stille. Hin und wieder ein zaghaftes Läuten zur Frühstückszeit und bei uns Outboundern waren die meisten Kunden wohl auch gerade mampfen, so dass wir uns von einer Maske zur anderen langweilten.

STRATEGISCH UNGÜNSTIG sag ich da nur!

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